Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan.
Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.
Der doppelte Aspekt der Freiheit ist in der doppelten Natur des Menschen(Leib-Seele-Dualismus) begründet:
Der gläubige Mensch (kann mit dem Gewissen identifiziert werden) ist in Christus frei und erneuert- der Mensch in Fleisch und Blut dagegen wird leiblicher und alter, äußerlicher Mensch genannt.
Die Kluft zwischen der Freiheit in Christus und unfreiem Willen, der den Körper treibt, werden in Glauben und Dienstbarkeit überwunden. Aber kein äußeres Ding oder Werk kann den Menschen innerlich befreien.
Gebote allein können zwar den rechten Weg vorgeben, aber die nötige Stärke, ihn zu gehen, gibt nur der Glaube. Der Glaube jedoch muss eingeübt werden.
Letztlich verweisen die Gebote auf das Unvermögen, sie einzuhalten, und daher auf die Notwendigkeit, durch den Glauben an Christus gerechtfertigt zu werden.
Was Gebote nicht bewirken, der Glaube kanns!
Glaubst du, so hast du, glaubst du nicht, so hast du nicht.
Also geben die Zusagen Gottes, was die Gebote erfordern, und vollbringen, was die Gebote heißen.
Der Glaube vereinigt die Seele in einer Art Heiliger Hochzeit mit Gott. Und sie wird so aller göttlichen Tugenden teilhaftig.
Andererseits sind wir aufgrund unserer irdischen Gebundenheit Knechte- haben uns der Notwendigkeit der Existenz zu stellen. So geschiehts, dass der Mensch seines eigenen Leibes halber kann nicht müßig gehen. Doch ist dieses Werk freiwillig und nicht, um gerechtfertigt zu werden.
Und wie sieht die Liebe zum Nächsten aus? Sie stellt die Frage: „ Was tut diesem not?“ Dieser Gedanke wie die daraus folgenden Werke machen uns zu Knechten. Wenn auch freiwillig.
Ein Christenmensch lebt nicht in sich selbst, sondern in Christus durch den Glauben, im nächsten durch die Liebe, im Körper durch Tätigkeit.
Luther untersucht in seiner Schrift von 1519 das Verhältnis von Handlungen, die den 10 Geboten entsprechen und gehorchen zum Geist, in dem dies geschieht. Ohne Glauben ist das reine Befolgen der Gebote nutzlos im Hinblick auf die Seligkeit, die erreicht werden soll, denn der Glaube an Christus ist das oberste, edelste Werk.
Zu jedem Gebot, die Luther Mt 19,18 gemäß untersucht, gehören spezifische Werke, die Luther aus dem rein formalen Zusammenhang in ihre Funktion, die sie für den Gläubigen haben sollen, stellt.
Dabei leitet ihn sein Grundsatz: Glauben oder Zweifel. Was immer man tut, ohne an den Sinn oder die Erfüllung zu glauben, kann man getrost lassen. Solche Werke sind tot.
Luther geht auf die Frage, inwiefern geistliche Werke, bis dato eingeteilt in evangelische Räte (Keuschheit, Armut und Gehorsam) und Gebote von irdischem Werk zu unterscheiden seien, immer in Hinblick auf ihre heiligende Wirkung, ein. Luther lässt keinen Unterschied gelten, solange das, was der einzelne tut, Gott gefällt, heute würden wir sagen, mit dem Gewissen vereinbar ist.
Zunächst ungeachtet der Frage, wie Gott und Gewissen zu erkennen seien, ist für ihn jeder, der an Gott glaubt und ihm vertraut, frei von Sünden. Sobald jedoch eine Handlung, egal wie hoch gesellschaftlich bewertet, nicht zum deutlichen Gefühl, gut zu sein, führt, fehlt ihr die heiligende Qualität. Für Luther, den ehemaligen Mönch, ist offensichtlich, dass diese Selbsterforschung sukzessive den Glauben und auch die Sicherheit stärkt. Wer glaubt, braucht keinen Lehrer- das Gute quillt sozusagen aus ihm hervor. Und zwar zu „seiner Zeit“. Kein Werk kann vom Glauben etwas weg nehmen oder dazu tun. Oder: Das Gute lässt sich nicht erzwingen. Und daher muss man sich darum auch nicht abrackern oder sich mit Sorgen belasten. An späterer Stelle beschreibt Luther, wie Schicksalsschläge zu bewerten seien, nämlich als eine Art „Richtungsweiser“.
Für die Qualität der Gnade wählt Luther ein Bild, das jedem selbst einleuchtet. Wenn sich ein Mann und eine Frau zueinander hingezogen fühlen, muss ihnen auch keiner sagen, wies geht.
Sobald aber angesichts von Entscheidungen kalkuliert und spekuliert wird, die Ausführung lustlos und quälend gerät, macht man sich oft genug zum Narren, und hat auch nichts davon.
Wems wirklich nicht gut geht, der wird mit dem „Deus absconditus“ konfrontiert. Ob das Übel ein von Gott gesandtes ist, darüber spekuliert Luther nicht, wenn er es auch an anderer Stelle nicht ausschließt, aber auf jeden Fall lassen es unliebsame Situationen geraten scheinen, den eigenen Glauben einer Prüfung zu unterziehen und weiter zu vertrauen, auch dem äußeren Anschein zum Trotz. Wer durch Prüfungen geht und dabei die Zuversicht nicht verliert, wird letztlich mit Standfestigkeit belohnt.
Luther interpretiert nach diesem Prolog das erste Gebot: „Du sollst nicht andere Götter haben!“ Die Werke des ersten Gebotes sind. Glaube, Hoffnung, Liebe. Und diese sind nicht voneinander zu trennen: Wer nicht einen liebenden Gott vor Augen hat, traut ihm auch nicht.
Wer diesem Gebot nicht folgt, sucht allerlei Ratgeber auf, probiert viel aus, während andere einen kompletten Jahrmarkt sinnentleerter Rituale veranstalten.
Luther weiß um die menschliche Natur Bescheid, die ständig in Bewegung ist, beschäftigt mit Tun oder Lassen, Fliehen oder Leiden. Aber erst der Glaube ist imstande, einem das richtige Maß, den angemessenen Arbeitsrhythmus zu diktieren. Wenn ich meine Tätigkeit für wertvoll halte, muss ich weder übertreiben noch resignieren. Letztendlich sind Werke schuldlos aufgrund der göttlichen Barmherzigkeit, nie aufgrund ihrer eigenen Qualität. Und der Glaube kommt immer aus Christus, ist nicht machbar, aber erfahrbar, umso öfter, je mehr man sich seiner bewusst ist. Ohne das verheißende Wort, den Zuspruch jedoch ist der Glaube nicht zu wecken.
Dem zweiten Gebot, Gottes Namen nicht zu missbrauchen, widmet sich Luther ausführlich.
Gott zu loben, ist ein besonders hohes Werk, verdienstvoller als die Inhalte der folgenden Gebote.
Gerade die Widerwärtigkeiten des Lebens machen darauf aufmerksam, dass die Ehrfurcht vor Gottes Namen nicht ausreichend gewürdigt wurde. Der Grund dafür liegt oft genug darin, dass die eigene Ehre gesucht wird. Wer also Lob von anderen empfängt, möge sich davon nicht abhängig machen, sondern es gelassen hinnehmen.
Der Missbrauch des göttlichen Namens zieht schwerste Strafen nach sich. Der Pfad durch Bosheit einerseits und Prahlerei andererseits ist eng und schmal. Josua 23,26: „Ihr sollt nicht wanken von meinen Geboten, weder zur rechten noch zur linken Hand.“
Eigenartigerweise und doch gleichzeitig sehr tröstlich gehört zur Ehrung des göttlichen Namens das Anrufen Gottes in Notsituationen. (Psalm 50, 15,23)
Doch gefährlicher als Not, die eher zu Gott hin führt, sind die Zeiten, in denen es einem gut geht. Dann vergisst man schnell Lob und Dankbarkeit. Und Gesellschaften, die florieren, lassen mehr Verbrechen zu als sie im Krieg möglich wären. (diese Sentenz wird später von Kant aufgegriffen)
Letztlich ist auch das Aufsuchen von Wahrsagern eine Form der Missachtung des göttlichen Namens.
„Gut macht Mut“.
Wenn uns nun schon die Widerwärtigkeiten des Lebens nicht dazu bringen, Gott anzurufen, dann der Blick auf die eigene Natur: Körperliche Bedürfnisse, weltliche und geistige werden schnell von dem was wir heute Sucht nennen, überdeckt: dann sucht der Körper nur noch Lust und Ruhe, in der Welt giert uns nach Reichtum, Gunst, Gewalt und Ehre, und der Geist wird selbstverliebt, während er andere verachtet.
Dass man im Namen Gottes nicht schwört oder flucht, versteht sich von selbst. Weniger offensichtlich ist Luthers Mahnung, in Gottes Namen für die Schwachen und Unterdrückten einzutreten. „Richtet dem Armen und Waisen seine Sach´ und dem Elenden und Dürstigen fördert sein Recht.“ und „Wie oft müsste mancher das Maul halten, dem jetzt die Welt muss zuhören!“ Alle fromme Pilgerei nützt nichts, solange man Ungerechtigkeit duldet.
Seinen Kommentar zum dritten Gebot- du sollst den Feiertag heiligen- leitet Luther ein mit einem Resumée seiner bisherigen Ausführungen: Gebietet das erst, wie sich das Herz Gott gegenüber zu verhalten habe, so das zweite, wie der Mund mit seinen Worten.
Luther prangert das Übermaß katholischer Feiertage, die zu nichts anderem als Müßiggang anregen, gepaart mit Saufgelagen und ausufernden Spielrunden(um Geld). Die Schuld dafür gibt er den Bischöfen.
Bei der Betrachtung der Hl. Messe stellt er das Abendmahl in den Mittelpunkt. Die Teilnahme an Christi Leib und die Vergebung der Sünden im Kelch führen zum Dank, der richtig verstandenen Eucharistie. Im Gottesdienst nicht zu predigen ist Vernachlässigung der Gläubigen, was der katholischen Kirche seit jeher vorgeworfen wurde.
Schließlich soll man im Gebet seine Not vorbringen im Vertrauen auf Gottes Heilszusagen:
„Wer nicht traut, der erlangt nichts, weder das, was er erbittet, noch ein Besseres!“
Damit erklärt Luther auch die Ineffektivität klösterlichen Gebets. Denn ohne Glauben bringen sie nicht mehr als „Freizeit“.
Man soll Gott die Not vorlegen im Gebet, doch nicht ihm ein Maß, Weise, Ziel oder Stätte setzen.
Röm 8,26: „Und Gott wirkt und gibt höher, denn wir begreifen.“
Wer nicht glaubt, sündigt auf der linken Seite, wer Gott Vorgaben macht, auf der rechten. Das rechte Gebet findet im Geist und der Wahrheit statt. Das Gebet fördert den Glauben, und schon in dem Moment, wo die Unfähigkeit zu glauben im Gebet vorgebracht wird. Wer Gott erfahren will, muss klein anfangen.
Das oberste Gebet besteht darin, die eigene Not in aller Anschaulichkeit, mit Weinen und Winseln, vorzutragen, und wem da nichts einfällt, der ist wahrhaftig arm dran. Der muss sich die andere Tafel der 10 Gebote vor Augen führen, um zu sehen, gegen welche er verstößt. Mit leiblicher Krankheit laufen wir zu Gott, mit seelischer jedoch nicht! Verstoß gegen Tugenden ist seelische Krankheit, und Gott ist nicht den Sündern, sondern den Ungläubigen feind.
Ein besonders wichtiges Gebet ist die Fürbitte, ebenso wie das Sündenbekenntnis.
In der Wahrheit zu beten, heißt, sich des Inhaltes seines Gebetes bewusst zu sein.
Luther beklagt die geistig/ geistlichen Zustände seiner Zeit, und befürchtet, dass nichts und niemand Gottes Zorn aufhalten werde. Die Fürbitte hält er darum für umso wichtiger.
Außerdem reicht der Sonntag als Feiertag, zehren doch die vielen Feiertage das Land aus.
Am Sonntag aber sollen wir nur Gott in uns wirken lassen.
Zum Fasten meint Luther, man solle es so praktizieren, wie einen die kleinen und größeren Süchte plagen. wer keinen Anlass zum Fasten sieht, muss es auch nicht. Das Fasten soll die Gesundheit erhalten.
Zusammengefasst bedeutet das dritte Gebot Gottesdienst mit Beten, Predigt hören, und zum Ausgleich kommen, auch wenn dieser Gottesdienst durchaus alles Übel hervor holen kann.
„So geht der Glaube aus in die Werke und kommt wieder durch die Werke zu sich selbst und stärkt also sich selbst durch die zwei Werke des dritten und anderen Gebots. Wie die Sonne auf- und niedergeht, erlebt der Mensch am Tag das friedliche Leben im Werk, nachts das Leid, und der glaube wirkt in beiden.“
Letztlich ist das Vaterunser die Zusammenfassung aller Gebetspraxis.