Liebe Interessierte,
wir leben in unsicheren Zeiten –
Ungewissheit bedeutet aber auch immer, dass neue Perspektiven Chancen bekommen und das Leben bereichern können.
Auf dieser Seite finden Sie- der Situation angemessen- Bibelstellen, die zu Vertrauen, Herzlichkeit und einem erweiterten Horizont einladen.
„Bittet, so wird Euch gegeben“
Ich gehe davon aus, dass ich nicht die einzige bin, die sich manchmal überfordert, zögert oder nicht entscheiden kann. Die sich was wünscht, aber nicht weiß, wie es zu erlangen ist oder sich nicht wertvoll genug fühlt, an sich selbst zweifelt oder Wünsche jenseits des mentalen Horizontes ansiedelt.
Solche Haltungen zeigen sich vermehrt in Situationen, in denen man sich unter Druck fühlt oder auch ist.
Vor ein paar Jahren war ich- unverschuldet- in einer verzweifelten Situation gelandet. Zu resignieren oder kapitulieren konnte ich mir nicht erlauben, also galt es zu handeln, aber wie?
Da fiel mir das Jesuswort ein: „Bittet, so wird euch gegeben, suchtet, so werdet Ihr finden, klopfet an, so wird Euch aufgetan“ (Mt 7,7-11). Ich tat, was in meiner Macht stand und bat.
Für mein Problem zeigte sich alsbald eine Lösung- und ich erhielt nicht nur eine Lösung, sie war auch begleitet von Erkenntnis und neuen Kompetenzen, die ich seitdem gut gebrauchen kann.
Lösung als Substantiv verweist darauf, dass kritische Situationen, also solche, die zu Entscheidungen auffordern, die Notwendigkeit beinhalten,sich von etwas, in der Regel sind das Vorstellungen, zu lösen.
Vor kurzem las ich, dass Gehen bedeutet, sich in den Schritt, das vorwärts strebende Bein, fallen zu lassen. Den kurzen Moment der Unsicherheit, wenn das Bein sich löst, aushalten und dann wieder festen Boden unter den Füßen spüren. Kleine Kinder müssen das lernen, alte Menschen können es oft gar nicht mehr-
Wer das vorwärts gehen mit der Unsicherheit übt und sich erfolgreicher Schritte erinnert, der hat eine wertvolle Ressource.
Gelegenheit zum Üben gibt es in der Regel reichlich, zumindest bei mir. Oft genug sitze ich da, mehr oder weniger gelähmt und klage. Inzwischen kann ich das Klagen akzeptieren. Den dazu gehörenden Stillstand auch. Meine Seele will und darf klagen. Begrenzt. Danach ist der Kopf frei, um Bitten zu formulieren.
Suchen, das erfordert Schritte, und die dürfen unsicher sein. Ist das Suchen von Erkennen begletet, vielleicht sogar von Aha-Erlebnissen, dann stimmt der Weg.
Anklopfen schließlich, tja, wo und bei wem?
Ich denke, dass es beim Anklopfen darum geht, Mitmenschen zu finden (die man zuvor gesucht hat oder denen man bei der Suche begegnet ist), die die eigene Perspektive erweitern. Unterstützen. Kooperieren.
„Worum ihr im Gebet auch bittet, glaubt, dass Ihr es empfangen habt, dann werdet Ihr es auch erhalten“. Mk11,24
Glauben vergleiche ich gern mit einer Taschenlampe. Die leuchtet, auch wenn ich noch im Finstern tappe. Und doch entschieden habe, zu gehen.
Wieso bitten, und nicht einfach Bedürfnisse analysieren?
Wer bitten kann, wird sich seiner wahren Bedürfnisse bewusster als der, der darüber nachdenkt. Und scheut sich auch nicht, Hilfe anzunehmen, wenn es darum geht, diese Bedürfnisse heraus zu finden. Wer bittet, kennt seine eigenen Grenzen, vertraut dem Leben trotz der eigenen Schranken, die ja irgendwann aus gutem Grund errichtet wurden. Und wagt trotzdem Schrite in das große Unbekannte, in der Hoffnung, dass es trägt. Zum Bitten brauchts keine KI, da reicht die menschliche. Wer bittet, macht sich auch Konsequenzen und Risiken bewusst, die erfüllte Wünsche mit sich bringen. Wer bittet, wächst in Verantwortung, und lässt sie sich nicht unnötig aufbürden.
Fragen:
-
Was brauche ich? Was ist meine Not? Woher weiß ich das? Fühlt sich mein Wunsch stimmig an?
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Worum bitte ich?
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Will ich Verantwortung für meine erfüllten Bnitten übernehmen?
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Was kann ich selbst tun?
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Mit wem möchte ich gehen?
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Kann ich glauben, dass meine Bitten erfüllt werden?
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Und schließlich: Sind Bitte, Handeln und Mitmenschen tugendhaft?
Tugend verleiht dem Gehen mehr Sicherheit als viele wähnen.
Achtsames Hören
„Wer Ohren hat, zu hören, der höre!“ (Mk 4,3)
Kennen Sie das auch, diesen Morgen, an dem Sie aufstehen, und sich fragen, wozu? Sich vage erinnern, dass Sie sich abmühen, um eine gute Mutter, eine gute Tochter und auch Großmutter zu sein, klimafreundlich einkaufen, den ganzen Winter über gefroren haben, um die Gasspeicher nicht zu überfordern- gut, das Konto auch nicht- irgendwo und –wie darauf warten, dafür belohnt zu werden, und Ihnen statt dessen nur weitere unangenehme Nachrichten ins Haus flattern?
Und gleichzeitig drängt sich ein Bild auf, in dem windige Großunternehmer sich breitere Backen wünschen, damit sich ihr zufriedenes Grinsen noch weiter ausbreiten kann, weil sie kontinuierlich gewinnen?
An solchen Tagen scheint sich der Teil vom Gehirn, der gerne grübelt, selbständig zu machen, während ein anderer, dessen Aufgabe darin besteht, uns mit Flügeln auszustatten, die mit dem Leben schwingen, offline gegangen ist.
An diesen Tagen besteht die Gefahr, nach Schuldigen zu suchen, die uns dieses Schicksal aufgebürdet haben, und die es wohl auch gibt. Wobei ich lieber von Verantwortlichen spreche.
Ich bin Philosophin, keine Politikerin und halte mich, wenn ich mich ausreichend miserabel gefühlt habe, an meinen Glauben.
Mk 4,3-8 Siehe, ein Sämann ging hinaus, um zu säen. 4 Und es geschah beim Säen: das eine fiel auf den Weg, und es kamen die Vögel und fraßen es. 5 Und anderes fiel auf den Felsen, wo nicht viel Erde war, und sogleich ging es auf, weil die Erde keine Tiefe hatte. 6 Und als die Sonne aufging, wurde es versengt, und weil es keine Wurzel hatte, vertrocknete es. 7 Und anderes fiel in die Dornen, und die Dornen stiegen auf und erstickten es, und es brachte keine Frucht. 8 Und anderes fiel auf die gute Erde und gab Frucht, aufsteigend und wachsend und trug eines dreißig, eines sechzig, eines hundert. 9 Und er sprach: „Wer Ohren hat, zu hören, der höre!“
Und obwohl ich schon vor mehr als dreißig Jahren aus der Kirche ausgetreten bin, fühle ich mich- noch immer- angesprochen, aus einer fernen Heimat.
Ich habe über dieses Gleichnis kurz nach dem Studium eine Predigt gehalten, und damals wie heute bin ich davon überzeugt, dass es richtig ist, sich seiner Werte bewusst zu sein, und danach zu handeln, auch in einer Umgebung, die roh und brutal erscheint.
Für mich ist jedoch heute ein weiterer Aspekt wichtig: Das Hören-
Im Fortgang des Gleichnisses weist Jesus darauf hin, dass Hören und Sehen- die Sinne, die nach antikem Verständnis am meisten von Vorstellungen geprägt werden, geschult werden müssen, sind sie doch ganz wesentlich für unseren Stand in der Welt.
Nachdem ich der Kirche nicht mehr verpflichtet war, durfte ich über den Zaun sehen, und habe dort „Achtsamkeit“ entdeckt. Auch dort spielt das „Hören“ eine zentrale Rolle.
Hören ist mehr als Gehorsam. Und das „Hören“ hat sein Zentrum im Gehirn im selben Bereich wie das Sprechen.
Auch, wenn ich heute keine Ernte sehe, vertraue ich darauf, dass die Zeit dafür kommt. Und setze mich hin, mach eine Hörübung und beende abwertende Selbstgespräche.
Übung:
- Achtsamkeit auf das Hören- es gibt dazu viele Anleitungen im Netz oder auf CD
- Sich selbst zuhören- und zwar mit Mitgefühl, ohne zu urteilen
- Einem anderen Menschen zuhören
- Einen vertrauten Menschen anrufen
2. In Krisen gelassen bleiben
Mt 13,24-30
Das Himmelreich ist gleich einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. Da aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. Da nun aber die Saat wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut. Da traten die Knechte zu dem Hausvater und sprachen: „Herr, hast du ncht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? Er sprach zu ihnen: „Das hat ein Feind getan. „Da sprachen die Knechte. „Willst du denn, dass wir hingehen und es ausjäten?“ Er sprach: „Nein! Auf dass ihr nicht zugleich den Weizen mit ausraufet, wenn ihr das Unkraut ausjätet. Lasset beides miteinander wachsen bis zur Ernte; un dum der Ernte Zeit will ich den Schnittern sagen: Sammelt zuvor das Unkraut und bindet es in Bündel, dass man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheune“.
Für alle Leser, die nicht die Geduld aufbringen, den ganzen nachfolgenden Text zu lesen, hier eine Zusammenfassung von Fragen, die sich aus Mt 13,24-30 ableiten lassen:
- Was säe und säte ich an Gutem?
- Wann erlebte ich eine Krise als Chance? (weiss man meist erst hinterher)
- Kann ich gelassen bleiben,auch wenns mal nicht rund läuft?
- Wer sind meine Feinde?
- Traue ich mir zu, sie friedlich zu überwachsen?
- Wer unterstützt mich?
- Gabs in meinem Leben bereits „glückliche“ Zufälle?
Wie die meisten wissen, wurde das Leben Jesu in vielen Werken, die über seine Lehre, seine Taten und sein Schicksal berichten, nieder geschrieben.
Vier davon erklärte die Amtskirche gegen 800 n. u. Zr. für den Grund, auf dem sie ihr Gebäude errichtete.
Bis dahin lehrte eine Vielzahl an Evangelien die Gemeinden in Zeiten, in denen sie bedrängt und verfolgt wurden, und wir können lesen, wie sie eine religiöse Minderheit im Römischen Reich stützten, ermutigten, trösteten, kurz, bei der Stange hielten.
Sich zum Christentum zu bekennen, bedeutete tatsächlich in den ersten Jahrhunderten, täglich dem Tod ins Auge zu sehen.
Als die Kirche allein über die Wahrheit herrschte, war ihre Position dennoch nicht gefestigt. Sie hatte sich einerseits gegenüber weltlichen Herrschern und auf der anderen Seite gegenüber etlichen Splittergruppen zu behaupten.
Praktisch heißt das, dass beim Lesen der Evangelien sowohl das Interesse der mittelalterlichen Kirche, wie das der Autoren, die, bedroht von Verfolgung, Folter und Tod ihre Botschaft an die ersten christlichen Gemeinden niederschrieben als auch die Lehre des Mannes Jesus, dessen historische Spuren sich nur auf wenige außerbiblische Zeugnisse zurück verfolgen lassen, zu berücksichtigen sind.
Damit stellt sich die Frage, ob es überhaupt eine Art „ewiger“ guter Botschaft gibt, und wenn ja, wie diese in unserem heutigen Kontext zu verstehen ist.
Bevor ich versuche, eine Art allgemeingültiger Botschaft heraus zu arbeiten, finde ich es wichtig, anzuschauen, in welchem Zusammenhang und zu wem Jesus damals gesprochen hatte.
Seine Zielgruppe waren die eigenen jüdischen Landsleute und deren Seelenheil angesichts einer nahenden Katastrophe.
Ich bin davon überzeugt, dass Jesus sich der politischen Machtverhältnisse im Jahr 30 n.u. Zr. bewusst war. Und er sah die Gefahr, die eifrige innerjüdische Gruppen für das gesamte Volk herauf beschworen. Rom würde jeden Aufstand blutig niederschlagen und das Volk in alle Winde zerstreuen.
In dieser brisanten Situation warnt er vor Voreiligkeit und mahnt dazu, erst zu handeln , wenn die Ernte reif ist, kurz, die römische Herschaft auszusitzen.
Wir wissen, dass es anders kam.
Und heute?
Wann soll man handeln? Wann abwarten? Was muss wann gesät werden und wann geerntet?
All dies sind Fragen des richtigen Zeitpunkts, die sich auf dem Hintergrund von Unsicherheit schärfer heraus kristallisieren als in Zeiten ruhigen Wachstums. Leider gibt es das heute kaum noch.
Unsicherheit, Klimawandel, schwächelnde Politik, unbesiegbare Krankheiten, Wirtschaftskrisen- konfrontieren jede einzelne damit, sich Werte und Tugenden aneignen oder aufrecht erhalten zu müssen, die Halt geben, wo äußere Stützen wanken. Und das umso mehr, als die großen Kirchen aktuell doch sehr mit der Aufarbeitung von Machtmissbrauch beschäftigt sind.
In Zeiten, in denen das Böse, oder Ereignisse, denen der Sinn zu fehlen scheint, deutlich ans Tageslicht treten, gilt es, zunächst, den eigenen Willen zu schärfen. Angesichts kritischer Umstände möchte sich ein ehrlicher Mensch-und jetzt erst recht- anständig verhalten.
Doch je mehr er oder sie sich müht, umso mehr scheint die Lage außer Kontrolle zu geraten. Gerade dann geschehen vielleicht auch noch Missgeschicke, Unfälle bis hin zu Schicksalsschlägen, die nur schwer zu verkraften sind.
Alltagsroutinen verlieren an Effektivität, und das Gefühl von Sicherheit lässt sich durch keine Handlung erzwingen.
Statt zu blinder Agitation, die von Angst und Sorge getrieben ist, zu greifen, ist jetzt die hohe Kunst der Gelassenheit gefragt. Vertrauen, dass Gutes erntet, wer Gutes gesät hat. Und sich aber auch nicht geißeln, wenn Ängste und Zweifel, Sorgen und Ärger sich an die Oberfläche des Bewusstseins arbeiten. Sie sind immer da- und wer Gelassenheit übt, kann sie betrachten, beobachten und vorbei ziehen lassen.
Bis die Zeit reif ist.
Dann gilt es aber auch, zuzugreifen, sich erlauben, zu ernten und Zweifel und Ängste der Vergangenheit zu hinterlassen.
Was Jesus in einem Bild vor Augen führt, sind ganz wesentliche Phasen seelischer Entwicklung. Wer das Gute nie wagt, wird das Böse nie besiegen. Wer nicht gelassen bleibt, wird sich um die Frucht seiner Arbeit bringen. Wer das Böse nicht anschaut, wird nicht wissen, was er ernten soll. Und zur Erntezeit, die ebenso auf dem Höhepunkt einer Krise liegen als auch einfach als Glück zufallen kann, gilt es,wachsam zu sein.
Die ewige Gültigkeit dieser Prozesse hat Jesus gemeint, als er in Bildern sprach, in Bildern, die Zeit als rhythmisches Geschehen, und nicht linear verstehen.
Fragen:
- Was säe und säte ich an Gutem?
- Wann erlebte ich eine Krise als Chance? (weiss man meist erst hinterher)
- Kann ich gelassen bleiben,auch wenns mal nicht rund läuft?
- Wer sind meine Feinde?
- Traue ich mir zu, sie friedlich zu überwachsen?
- Wer unterstützt mich?
- Gabs in meinem Leben bereits „glückliche“ Zufälle?
3. Aussteigen und zu sich kommen.
In der Bergpredigt heißt es: „Kommt her zu mir, die Ihr müde und belastet seid, ich bringe Euch Erholung.“ (Mt 11,28)
Viele Menschen fühlen sich gefangen in der alltäglichen „Tretmühle“. An sie richtet sich dieses Versprechen.
Tretmühlen gabs bereits in der Antike, und noch Im Mittelalter waren die „Aufläder“ hoch angesehene und gut bezahlte Arbeitskräfte, bis mit der Industrialisierung Arbeit zur Ware und Zeit zu Geld wurde.
Ab jetzt waren es meist Sträflinge, die die großen Räder bewegten, und sie mussten Leistung erbringen, die sich an der von Dampfmaschinen orientierte. In einer reformierten Welt, in der Arbeit alles und Leben nichts galt, gab es genug „Verbrechen“, die die ihrer Angeklagten direkt in die Mühlen beförderten, wie z.B. Homosexualität.
Das Bibelwort verspricht allen, die von kollektiven Vorstellungen erdrückt und sich im Bemühen, ihnen gerecht zu werden, erschöpfen, Erholung.
Wer glaubt, tut sich einfacher, wahrzunehmen und zuzulassen, die eigene Erschöpfung, Müdigkeit, die Lasten, die man sich selbst auferlegt oder andere einem aufbürden.
Und genauso gläubig Erholung und neue Frische erhoffen und einströmen lassen.
Wer glaubt, nimmt sich selbst ernst und damit den bedrängenden Umständen die Macht. Und das in dem Wissen, dass der Glaube sinnlose Grenzen überwinden kann.
Wer glaubt, vertraut darauf, dass er mehr ist als Schmerz, Erschöpfung, Müdigkeit.
Doch wer keinen Zugang zur Bibel hat, oder ihn durch frustrierende Erlebnisse verloren hat, was kann der oder die der Erschöpfung entgegen setzen?
Aus der Tretmühle ganz aussteigen- macht Angst. Angst, dass Bekannte einfach an einem vorbeifliegen, Angst, aus dem Job katapultiert zu werden, Ehepartner aus dem Blick zu verlieren.
Daher rät die Philosophie zum klugen Maß. Sich Zeitinseln schaffen, den eigenen Raum erweitern, zu ungebührlichen Anforderungen „Nein“ sagen.
In diesen Auszeiten kann man dann Belastungen aussprechen, sie beim Namen nennen, beklagen. Niemand muss so tun, als ob Belastung Spaß macht. Und wer klagt, braucht einen, der zuhört. Im besten Fall tauchen dann im Hörraum“ Lösungen auf, sobald die Schwere nicht mehr ganz so drückend auf den Schultern lastet.
Einen solchen „Hörraum“ bietet auch das Tagebuch, wenn man gerade keine konkrete Vertrauensperson ansprechen kann.
Vorsorglich kann man auch den Tag auf einer kleinen Zeitinsel beginnen und sich fragen:
Was belastet mich und was brauche ich? Was tut not? Was will ich geben? Wem möchte ich vergeben? Wofür bin ich dankbar? Was sind meine Werte? Was bringt mich zum Lachen? Wem vertraue ich? Was wäre, wenn…
Und erst, wenn wieder Kraft spürbar ist, fragen:
Was muss ich wirklich tun, dh. so tun, dass es Wirkung, die ich vertreten kann, oder wünsche, zeitigt. Und dann: „Tun“. Mit Vertrauen: „Tun“
4. Vergeben und Bitten
Mk 11,24 -25
Darum sage ich euch: Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, daß ihr’s empfangen werdet, so wird’s euch werden.
Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt, damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Übertretungen.
Luxemburger Kommission „Justitia et Pax“
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Zum biblischen Text:
Es ist bis heute schwer bis unmöglich, zu sagen, wer die „wirklichen“ Verfasser der Evangelien waren. Doch kann eine Betrachtung der literarischen Komposition Aufschluss über Anliegen und Publikum, an die sich die Berichte über das Leben Jesu richten, geben.
Der Verfasser des Markusevangeliums, den ich der Einfachheit halber Markus nenne, kannte sich in Judäa wohl nicht aus, und es ist davon auszugehen, dass er irgendwo im Römischen Reich das ihm vorliegende Material, von dem angenommen wird, das es teilweise bis auf Petrus zurückzuführen ist, zusammengestellt und redigiert hat.
Zeitnah zum „Jüdischen Krieg“, der 66 n.u.Zr. begann und mit der Zerstörung Jerusalems einen vorläufigen Tiefpunkt erreichte, schrieb Markus an eine nicht jüdische Zuhörerschaft. Er legte Wert darauf, zu verkünden, dass Jesus eben nicht nur für die jüdische Bevölkerung, auf die er wenig Einfluss gehabt hatte, sondern bereits für die nach dem Fall Jerusalems wachsenden christlichen Gemeinden, die überall im hellenistischen Raum sprossen, gepredigt und gelehrt hatte.
Seitdem sind fast 2000 Jahre vergangen, Jahrtausende, in denen die Kirche durch das Schaffen einer einzigartigen Kultur ebenso das europäische Profil geprägt hat wie durch unvorstellbare Grausamkeiten, die auch beim besten Willen nicht christlich begründbar sind.
Und dennoch, kann ich- auch ohne einer der öffentlichen Konfessionen anzugehören, Christin oder Christ sein.
Für mich, als Mutter von fünf Kindern, bedeutet das seit jeher, zu beten. Allein bin und war ich den Herausforderungen, Kinder in einer Wettbewerbs- und Konsumgesellschaft groß zu ziehen, nur begrenzt gewachsen.
Und immer wieder frage ich mich:
- Um was bete ich eigentlich, wenn ich bete?
- Worum bitte ich, wenn ich etwas erbitte?
In guten Zeiten vielleicht um ein höheres Einkommen, oder einen netten Partner, gesunde Kinder und ein Eigenheim. Doch, wenn, wie gerade jetzt, Krisen täglich ins Wohnzimmer gespült werden, besinne ich mich auf Wesentlicheres: Frieden und Harmonie erweisen sich als Grundlagen auch materiellen Gedeihens und sind zur Zeit ein ersehntes Gut.
Wir leiden mit der ukrainischen Bevölkerung, aber auch den russischen Soldaten, wir fürchten uns davor, zu frieren, aber wünschen uns auch die Einhaltung der Menschenrechte in den Ländern, die uns jetzt wohl Energie liefern.
Werden die Menschen zusammenrücken und -stehen oder wird es noch mehr Entzweiung geben, wie sie sich eben auch in Europa abzeichnet?
Wer beten kann, hat, wenn die Evangelien Wahrheit beanspruchen dürfen, Macht, einen Beitrag zum Frieden zu leisten, zum persönlichen, zum globalen.
Um was wir bitten oder beten, muss feste, konkrete Vorstellungen zeitigen, soll das Gebet Wirkung entfalten.
Wie sähe eine friedliche Welt aus? Was kann der Einzelne tatsächlich dazu beitragen?
Ohne Vorstellung und den Glauben daran bleiben Gebete wirkungslos.
Liest man bei Markus weiter, so springt geradezu ins Auge, dass die Erfüllung von Gebeten an Vergebung gebunden ist.
Kurz: Keiner von uns ist ein Heiliger, und vieles „passiert“, auch Negatives, eben weil wir fehlbar sind. Und das ist der Grund dafür, sich selbst und anderen zu vergeben.
Es ist nicht immer leicht, aber die aktuelle Weltkrise kann auch dazu genutzt werden, sich darüber klar zu werden, was wirklich wichtig ist, auch im privaten Umfeld.
Wer um etwas bittet, muss den Mut aufbringen, alte „Kamellen“ hinter sich zu lassen. Wieder und wieder. Manche Verletzungen und Kränkungen wiegen so schwer, dass sie „zuverlässig hoch kochen“, und jedes Mal bieten sie die Chance, sich von ihnen zu distanzieren. Bis sie keine Kraft mehr im persönlichen Leben entfalten können.
Vergebung fällt leichter, wenn ich den Ort in meinem Körper kenne, den ich als „Kraftort“ bezeichne. Von dort aus, einer Art „Heiligem Ort“, kann ich vergeben und wünschen und vertrauen. Von dort aus kann ich Visionen entfalten.
Dieser „Ort“ wächst und gedeiht mit der Erfahrung, der positiven- und differenziert sich an- der negativen. Diese Differenzierung ist wichtig. Denn so manche Kränkung erweist sich bei näherem Hinsehen als „Glücksfall“, als Hinweis darauf, dass sie uns vor Unstimmigkeit bewahrt hat bzw. davor, in einem „falschen Leben“ zu verharren. Vergebung bedeutet damit auch Nachdenken:
Was habe ich verloren, was habe ich gewonnen?
Das Vergebung ein Reflexionsprozess ist, verdeutlicht auch die Luxemburger Kommission „Justitia et Pax“ :
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Vergebung kann ein langer Prozess sein
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Vergebung ist nicht von einem Geständnis abhängig
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Vergebung erfordert keine übereinstimmende Auffassung von der Vergangenheit
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Vergebung bedeutet, mein Recht auf Rache loszulassen
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Vergebung bedeutet nicht Vergessen
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Vergebung bedeutet, das Unrecht nicht immer wieder zur Sprache zu bringen
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Vergebung bedeutet nicht, das Verhalten einer anderen Person zu entschuldigen
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Vergebung bedarf vorab einer Entscheidung
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Vergebung bedeutet nicht unbedingt, erneut zu vertrauen
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Vergebung ist Voraussetzung für Neuanfang
Ich möchte noch zufügen:
Vergeben heißt nicht, kampflos aufzugeben. Aber ich kämpfe nicht mehr gegen irgendetwas oder jemanden, sondern für…
Anleitungen zum Vergeben finden sich auch in der Psychotherapie, auch wenn dort vielleicht ein anderer Begriff dafür gewählt wird.
So empfiehlt der Psychotherapeut und Arzt Gunther Schmidt, für den Kraftort, den man gefunden hat, ein Symbol zu finden, und dieses dann Gegnern, Kritikern und Nörglern imaginativ „anzuheften“, wie einen Orden. Und: Auf die Wirkung zu achten!
3. Erhellendes Beitragen
Joh 8,12
„Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht im Finstern wandeln, sondern das Licht haben, in welchem das Leben ist.“
Das Johannesevangelium wurde als Stütze für eine Gemeinde geschrieben, die bereits über Form gebende Rituale und Gesänge verfügte.
Erkenntnis bedeutet Leben und Erkenntnis erhellt den Geist und die Seele.
Ich gehe davon aus, dass gerade die Liturgie, die Johannes als Teil des Gemeindelebens kennt und mitgestaltet, als eine schätzt, die das Leben „erhellt“.
Lieder und Rhythmen finden sich in allen Religionen als synchronisierende Elemente.
Und ein synchronisiertes Gehirn führt zu Gefühlen von Leichtigkeit und Helligkeit, in der Gemeinsamkeit zu Geborgenheit.
Über den Körper zu Erkenntnis kommen, erinnert an Tranceriten, und uns daran, dass Spiritualität nicht vom Körper zu lösen ist.
Den Körper oder besser, Leib, als Ausdruck des Geistes zu verstehen, verdeutlicht Johannes durch die Fußwaschung vor der Passion Jesu, übrigens als einziger der Evangelisten.
Was heißt das für uns heutige?
Tanzen, singen, in Gemeinschaft, und zwar einer, die auf gegenseitigem Respekt beruht, schenkt Frieden und Hoffnung, geistige Lichter in der Finsternis, einer Finsternis, die von Feindschaft und Unmenschlichkeit geprägt ist.
Für mich persönlich bedeutet dieses Wort vom Licht, dass die Lebenskräfte immer die Oberhand gewinnen werden, während die finsteren Kräfte daran erinnern, dass ein gutes Leben nicht selbstverständlich, sondern das Ergebnis einer spirituellen Praxis ist.