Das Wesen des Mythos besteht darin, sich den logisch- kausalen Gesetzmäßigkeiten zu entziehen. Dafür befriedigt er ein urmenschliches Bedürfnis: Das nach Sinn. Und wo kein Sinn am Horizont auftaucht, malt ihn der Mythos dort hin. Götter verteilten Reichtum und Übel, die Sünde machte krank und Freiheit winkt über den Wolken, über Wasser oder wo auch immer- aber anscheinend nicht dort, wo wir eh schon sind. Ist die Gegenwart eine derart unbequeme Fessel, dass wir ihr Mythen bildend entkommen müssen?
Nur Ketten, die wir nicht spüren, sind keine Ketten- doch, was wir spüren, ist zu einem hohen Grad Ausdruck unserer Deutungsgebung, Phantasie, Mythenbildung.
Statt angesichts des gegenwärtigen Loses Mythen zu bilden, die uns davon erlösen sollen, könnte man auch einfach einen „Gegenwartsmythos“ erfinden, in dem, was ist, gut ist- gut und sinnvoll.
Als ich verheiratet war, war ich frei von den Lasten des Broterwerbs, seit ich allein lebe, bin ich frei vom Hemdenbügeln.
Aber wer zwingt mich, mich von dem, was ist, abhängig zu machen, oder von dem, was nicht ist?
Niemand- aber die Gegenwart bedeutet stete Herausforderung, das Sein sinnlich, rhythmisch, freudvoll zu gestalten. Sinne geben Sinn.
Der Duft des Spülmittels, Berge von Schaum, unter dem die Teller versinken- mein Enkelkind weist mich regelmäßig in die Freuden des Geschirrspülens eins.
Oder Farben: Welche Farben in meiner Wohnung tun mir gut und wie? Seit ich weiß, dass ich Gold liebe, platziere, arrangiere und drapiere ich Gold um Gold und Grün um Gold und Gold an die Wand usw. Goldene Dekore und glitzernde Verführungen springen mich in der Stadt an und sind billiger in der Anschaffung als neue Möbel- aber vor allem: solange ich mich mit Farben beschäftige, stellt sich gar nicht erst die Frage nach Sinn- und auch nicht die nach Freiheit.
Ich bin ja frei, sinnlich einzutauchen, mich rhythmisch zu bewegen, liebevoll zu agieren.
Ich brauch keinen Mythos, vielleicht weil ich selbst dieser Mythos bin.
Im November wird der Toten gedacht, und damit zwangsläufig auch des eigenen Endes, sind wir doch mitten im Leben vom Tod umfangen. Wo bleibt da die Freiheit?
Während dieses Gedenken in Europa still und besinnlich abläuft, nehmen sich die Menschen in Lateinamerika die Freiheit, am „Dia de los Muertos“ mit den Verstorbenen gemeinsam zu feiern, zu essen, trinken, Musik zu machen und zu tanzen. Diese Nähe zu den eigenen Toten nimmt dem Tod an sich etwas von seiner Endgültigkeit, und damit von seinem Schrecken. Der Kontakt zu den Lebenden bleibt erhalten, wie auch in vielen indigenen Kulturen oder der Antike, in der die Ahnen einen eigenen Altar im Haus hatten. Diese Kulte erinnern an die Freiheit von Zwängen und Pflichten, von Konflikten und Kämpfen. Die Verstorbenen müssen sich damit nicht mehr abgeben, die Lebenden können “Feierräume”, heilige Räume- abgrenzen.
Die Räume der Lebenden von denen der Toten abzugrenzen, nicht auszugrenzen, ist ein Sinn, den diese Feiern haben. Der Übergang von einem zum andern fordert Flexibilität. Menschen, die an Macht und Sicherheit hängen, geht diese oft ab. Bis ihre Seele ihnen einen Verlust zufügt, ein Opfer abverlangt, dass sie in neue Freiheit katapultiert-
Zur Seelsorge gehört daher, mit den Toten leben zu können, sonst besteht die Gefahr, dass man unbewusst ihre unerledigten Aufgaben erfüllt. Mit den Verstorbenen zu leben heißt, mit ihnen dann und wann ins Zwiegespräch zu gehen- um ihren Rat einzuholen, aber auch zwischen ihnen und uns Lebenden zu trennen. Der bewusste Dialog ermöglicht die nötige Distanz. Und warum soll man nicht auch an Geburtstagen oder anderen wichtigen Daten eine Kerze, einen Strauß aufstellen oder vielleicht das Lieblingsgericht des Verstorbenen kochen?
Wer seine Toten ins Leben integriert, ihnen dort einen Platz zuweist, muss sie nicht in jedem Winkel seines Herzens und seiner Wohnung beherbergen. Was mit dem Toten an Glanz verliert, darf gehen. Was schöne Erinnerungen auslöst, dagegen bleiben. Diese bilden einen teil, vielleicht sogar die Basis der eigenen Individualität.
So kann jeder Tod zu mehr Schönheit, mehr Kontur im eigenen Leben führen und damit Sinn stiften.
Und:
Was der Tod wie jedes Ende beinhaltet, ist ein Zugewinn an Freiheit-
Freiheit- kann man nicht einfach so machen. Man mag sich nach ihr sehnen, sie vermissen, sich in ihr verlieren oder sie fürchten. Man kann sie allenfalls einladen, zu einem Gespräch unter vier Augen und sie fragen, was sie eigentlich braucht, um sich einzustellen. Oder was man dazu beigetragen hat, dass sie sich verabschiedet hat, was sie auf gute Weise begrenzt oder wie das Vertrauen in sie gestärkt werden kann.
Und bei diesen Gedanken bauscht vielleicht ein Windstoß die Gardine vorm Herzensfenster, ein Geist mag den Raum betreten, mehr Hauch als Gestalt. Freiheit ist ein Produkt des Geistes- das die Materie formt, sie konturiert und verschwindet, sobald wir Materielles festhalten wollen.
Freiheit kann ich mir nehmen- die Freiheit, mein Leben und was auf seiner Bühne spielt, wahrzunehmen- doch für alles Genommene gilt es einen Preis zu entrichten: für die Freiheit den der Disidentifikation.
So sitze ich sinnierend auf meinem Schreibtischstuhl, von dem ich mich schon lange „befreit“ wüsste, wäre er nicht so teuer gewesen und aktuell auch noch gut brauchbar. Tja, mein innerer Buchhalter ist dagegen, das „gute Stück“ auf dem Sperrmüll zu entsorgen. Und mit ihm identifiziere ich mich mehr als mit dem Traum- von was eigentlich?
Ein Gespräch mit der Freiheit ergibt, dass ihr der Stuhl egal ist, ich könne ja raus gehen, wenn ich ihn nicht sehen will, oder muss sie mir tatsächlich noch mehr Alternativen vorführen?
Eine Besinnung auf die aristotelische Mitte verspricht, die Gegensätze von Freiheit und Materie, bzw. Abenteurer und Buchhalter, zu versöhnen.
Wegwerfen ist ein Extrem, weitere 20 Jahre darauf sitzen das andere. Die Mitte? Einen neuen Stuhl raus suchen, dafür sparen und auf den alten ein neues Kissen legen.
Ich bins zufrieden.
Und da der Anfang die Hälfte des Ganzen ist, suche ich in meiner Wohnung nach etwas, das mir das Herz aufgehen lässt, mich berührt, was mir zu raunt: „Ich bin ein recht gelungener Ausdruck von dir! Ein neuer Stuhl sollte doch zu mir passen!“
Klar, der kleine Freiraum, nicht sofort einem Impuls nachzugeben, eröffnet einen größeren, in dem etwas Neues Platz finden kann.
Und da meine Gardine sowohl geschlossen wie offen oder halb offen oder verknotet oder wie auch immer stets elegant und vollkommen wirkt, wird schnell klar, dass der neue Stuhl zu ihr passen muss: Hell, beweglich, anpassungsfähig und unaufdringlich- bereit, meine Stimmung zu regulieren.
Na, wenn das keine Herausforderung ist. Aber frei fühle ich mich nur, wenn ich auch aufstehen und raus gehen kann!
„Was bei drei nicht auf dem Baum ist,….ich muss diese Sentenz nicht beenden, Sie kennen ihre Fortführung. Dahinter steht allerdings ein evolutionär entstandene Muster- Wer seine Gene weiter geben will, sollte fit sein.
Es sieht für manche so aus, als zwinge uns die Evolution zu Verhaltensweisen, denen wir nicht entkommen können: In den verlockenden Hamburger beißen, obwohl man satt ist. Sich nach Beinen unter kurzen Röcken umdrehen, auch, wenn die eigene Frau den Kinderwagen nebenher schiebt. Die Kollegen im Stich lassen, wenn die Karriereleiter unverhofft am Horizont auftaucht.
„Sie haben die Freiheit, zu wählen!“ so die Aussage einiger Psychologen. Stimmt, man kann auch bis vier zählen-
Freiheit kann mehr sein als Wahlfreiheit-
Die Fähigkeit, zu denken, schenkt die Freiheit, sich nicht treiben zu lassen.
„Sapere aude!“ rief der Philosoph Kant seinen Zeitgenossen zu, und wir dürfen den Nachhall seiner Stimme hören. Erstaunlicherweise, denn Kant lebte vor mehr als 200 Jahren in Königsberg.
Also, räumlich und zeitlich weiter weg als der „Hamburger“ mit lascher Gurke im pappigen Weißmehlprodukt.
Lesen und nachdenken, sind diese Kompetenzen nicht auch evolutionär entstanden?
Wissenschaftler wie der Verhaltensforscher Michael Tomasello beschreiben, wie die kognitiven und moralischen Fähigkeiten, die den homo sapiens ausmachen, aus der urmenschlichen Fähigkeit zur Kooperation erwachsen sind.
Unsere Vorfahren mussten sich gegenseitig auf Ressourcen und Gefahren aufmerksam machen, sich vertrauen und sich verstehen, wenn sie überleben wollten. Während noch die nächsten „Verwandten“ auf dem Baum der Evolution auf reinen Wettbewerb als Überlebensstrategie setzen.
Diese innerhalb der kompletten Biologie einzigartige Kompetenz zur Kooperation ist die Grundlage moderner Zivilisation- die aus ihr erwachsenen Verhaltensweisen nannten schon die antiken Philosophen „Tugenden“. Tugenden taugen dazu, das Überleben der Gattung Mensch zu sichern. Tugenden, wohlgemerkt, nicht Wettbewerb.
Freiheit ist die Freiheit zur Tugend. Nicht nur, zwischen Apfel und Birne zu wählen, sondern Äpfel so zu kultivieren, dass auch unsere Nachkommen von ihnen profitieren. Birnen so zu verkaufen, dass Produzent und Konsument zufrieden sind.
Das Narrativ von der Unabdingbarkeit des Wettbewerbs wird von denen genährt, die daran verdienen- diese „Gewinner“ sind nicht die fittesten im Universum, oft nur die Skrupellosesten.
Darf man den bisher gültigen Gesetzen der Evolution glauben, werden- vielleicht nicht mehr in unserem Jahrhundert- die sozial Kompetenten überleben.
An Kathedralen, diesen Zeugnissen kirchlicher Dominanz und Inbegriffen der Missachtung der Natur, arbeiteten meist Generationen von Menschen.
In Bezug auf globale Gerechtigkeit werden ebenso viele tätig werden müssen, und so wie jede Kathedrale beginnt mit der Grundsteinlegung begann, beginnt Menschlichkeit mit Tugenden. Mit der Fähigkeit, die Erde als einen Ort zu sehen, von dessen Ressourcen wir abhängig sind, und nicht von der Höhe von Wolkenkratzern, dem Tempo irgendwelcher Rennboliden oder den Politikern, die unsere niedrigsten Instinkte bedienen.
Das, was Leben auf der Erde über Raum und Zeit hinaus ermöglicht, nannten die alten Philosophen Substanz.
Tugenden, und die Freiheit, tugendhaft zu leben, bilden Substanz.
Übrigens- dass wir den Begriff “Freiheit” überhaupt denken können, verdanken wir anderen! Und nicht den eigenen Ellbogen.
Oft nehmen wir uns einfach Freiheiten, von denen wir überzeugt sind, dass sie uns zustehen. Um nun diese „Freiheit“ von „Flucht“ „Trotz“ oder “Willkür” unterscheiden zu können, ist es ratsam, auf die Stimme der Vernunft zu hören. Wovon mache ich mich frei und von wem? Und, fühle ich mich danach wirklich frei?
Freiheit bedeutet, sich eigene Regeln zu setzen, eigenen Werten zu folgen und eigene Ziele zu verfolgen.
Wähle ich dazu geeignete Mittel, dann bin ich frei, weil ich frei entscheide- ohne fremden Maßstab. Das schließt andere Maßstäbe, die ich kennen gelernt habe, nicht aus, aber freie Entscheidungen schließen wahllose Unterwerfung, Trotz oder Flucht aus.
Um die obigen Gedanken zu verdeutlichen, wähle ich das Beispiel der aktuellen Maskenpflicht. Viele Menschen stufen diese als „Freiheitsberaubung“ ein. Aber mal ehrlich, niemand muss eine Maske tragen, wenn er oder sie nicht will- Lebensmittel bringt der Lieferservice, Haare kann man wachsen lassen und Fahrrad fahren ist eine wunderbare Alternative zur Bahn. Nicht mal der Gang zum Arzt ist ein Zwang. Worüber die Empörung über die Maskenpflicht hinwegtäuscht, ist die Tatsache, dass manche Menschen das Verhältnis von Zielen und Mitteln aus dem Auge verloren haben: Will ich von A nach B, oder meinen Hunger stillen? Will ich gesund sein oder eine flotte Frisur? Was will ich erreichen und welche Mittel wähle ich dazu?
Viel schwerer jedoch wiegt der Verlust von Vertrauen und Demut. Alles immer zu dürfen und konsumieren zu können- hat vor allem einen Zweck: Die Angst vor den Unwägbarkeiten, dem nicht Vorhersehbaren, dem Unkontrollierbaren nicht spüren zu müssen.
Und Angst macht nicht frei.
Ich persönlich ziehe jeden Mund- Nasenschutz der Beatmungsmaske in einer Intensivstation vor.
Die gibt mir zwar keine letzte Sicherheit vor Ansteckung- aber die Freiheit, zu tun, was ich kann- nicht mehr, nicht weniger. Worüber ich keine Kontrolle habe, liegt nicht in meiner Hand.
Der einzige, der aktuell keine Freiheit hat, ist das Corona- Virus. (Die Erreger von Pest und Cholera auch nicht, oder Masernviren) Es ist darauf programmiert, sich zu verbreiten- und das scheint von Mensch zu Mensch besser möglich zu sein, als jeder andere Weg. Kaum gelernt, schon umgesetzt- wieso sich mit der Übertragung durch seltene Tierarten rumplagen!
Dazu mutiert es, legt sich eine Lipidhülle zu und überlebt erstaunlich lange auch außerhalb von Organismen, zielsicher fliegt es durch die Luft und findet seine Wirte.
Die Freiheit, Menschen zu schützen, hat es nicht.
Die haben nur wir !
Ältere vor Ansteckung, Familien vor dem Zusammenbruch, Unternehmer vor dem Bankrott, alle Pflegenden vor der Überlastung.
Freiheit ist nur in sozialen und vernünftigen Systemen überhaupt möglich.
„Du musst!“ gerade die ältere Generation hörte diesen Imperativ oft und unwillig. Denn- zu müssen- bedeutet, gezwungen zu werden. Gezwungen zu werden heißt auch: Nicht wollen.
Viel öfter posaunen wir uns aber dieses „Du musst“ selber in die Ohren. Es lohnt sich durchaus, eine Liste dessen, was wir nur widerwillig ausführen, anzulegen.
Wir hören aber auch auf Stimmen, die uns verlocken, bis wir ihnen immer öfter nachgeben und dem, was sie uns anbieten und versprechen, kaum noch widerstehen können: Schnelles Glück, Bequemlichkeit, Zufriedenheit- es reicht, zum Glas zu greifen, zur Zigarette, zum Kaffee, oder zur EC-Karte- und schon rauschen Endorphine durch Körper und Gehirn. Versickert deren Fluss, findet man sich in einer staubtrockenen, unwirtlichen Wirklichkeit wieder und giert nach mehr von dem Stoff, der die Welt in mildes Licht taucht.
Dieses Szenario kann sich völlig unterschiedlich ausbreiten, von wenigen Minuten beim abendlichen Absacker, bis zur 24-Stunden- Blase, wenn Abhängigkeit das ganze Leben beherrscht.
Abhängigkeit kann nicht durch Zwang geheilt werden. Abhängigkeit verweist auf Bedürfnisse, die erfüllt werden wollen, und die den Ruf des Lebens ausdrücken.
Der Benediktinermönch David Steindl-Rast macht auf eine leise Stimme im Gefecht von Zwang und Sucht aufmerksam: Die Stimme des Herzens.
Doch gerade Menschen, die sehr oft: “Du musst!” gehört haben, schlägt das Herz mitunter bis zum Hals, oder droht zu zerspringen, wenn sie beginnen, auf ihre Bedürfnisse zu hören. Angst und Lust scheinen sich zu vermischen, begleitet vom Bruder dieses “Du musst!” dem “Du darfst nicht!”
Das Herz braucht einen Raum, in dem es frei und geschützt sprechen kann: “Ich will”
Diesen Raum gewährt die Dankbarkeit.
Denkend können wir dort in aller Ruhe erkennen, was uns geschenkt wurde und wird, was nicht gemacht ist, von niemand. Wir erkennen auch, dass wir von diesen Geschenken des Lebens abhängen, und sie sich zudem ständig zu wandeln scheinen. Es ist nicht einfach, für etwas dankbar zu sein, das nicht festgehalten werden kann, obwohl es lebensnotwendig ist. Erst wenn wir lernen, zu vertrauen, dass das Leben selbst für uns sorgt, können wir in das Leben einwilligen und Frieden fühlen.
Dann müssen wir die Geschenke des Lebens nicht an uns raffen, und horten, sie auch nicht von uns weisen- mit ihnen zu spielen, sie zu genießen- wäre eine Möglichkeit.
Das Herz benötigt, um sich seiner bewusst zu werden, einen ganz konkreten Raum.
An einem Platz in der Wohnung- zu einer Zeit- in der man nicht gestört werden, kann man sich in aller Ruhe und regelmäßig darüber Gedanken machen, wofür man wirklich dankbar ist. Oder, was man braucht, um dankbar sein zu können. Oder, was einem aufgezwungen wurde, das man gern aus dem Leben entfernen möchte.
“Selbstfreundschaft” ist die Voraussetzung, um mit der Außenwelt und insbesondere den Mitmenschen gut leben zu können.
Gleichzeitig spiegeln Probleme wie auch positive Ereignisse und Beziehungen das ganz persönliche Innenleben wider.
Beispiele:
Viele Beziehungen scheitern an dem Punkt, an dem sich der eine vom andern vereinnahmt fühlt. Ein Grundprinzip des Menschseins scheint verletzt zu werden, wenn die Autonomie bedroht ist.
Freundschaften haben den großen Vorteil, dass mit ihnen keine Verpflichtungen verbunden sind, die „Freund/innen“ sind gleichberechtigt, bereichern sich, ohne sich auszunutzen.
Wer ein guter Freund, eine gute Freundin sein möchte, tut gut daran, dieses Gleichgewicht immer wieder zu überprüfen: Sind Geben und Nehmen ausgeglichen?
Aber auch in der eigenen Seele streiten- nach Goethe zwei Seelen, nach Bismarck ganze Mengen- verschiedene Stimmen. Fordernde, Schimpfende, lobende und Wert schätzende- ganz besonders präsent ist der wichtige “Innere Schweinehund”, der regelmäßig gefüttert werden möchte.
Wie kann die Freundschaft zwischen stärkeren und schwächeren Seelenanteilen aussehen?
Aristoteles beantwortete diese Frage, indem er auf die Vielfalt von Werten und Gütern hinwies. Auch der Mächtige braucht Gegenwerte, die ihm ein Schwächerer durchaus zur Verfügung stellen kann, indem er ihn respektiert und würdigt.
Ob eine Beziehung wirklich im Gleichgewicht ist, lässt sich am ehesten feststellen, wenn sie ihre Leichtigkeit behält, wenn Neues entsteht.
In Familien ist das Prinzip „Freundschaft“ besonders wichtig. Wenn ein Partner den anderen aus dem Auge verliert, und das Gras jenseits des Zaunes grüner erscheint, muss der Wert einer Paarbeziehung gegenüber den Verlockungen abgewogen werden. Oft reicht es schon, miteinander über Wünsche zu sprechen und sich gegenseitig Freiheiten zuzugestehen, bei denen jede/r ein gutes Gefühl behält.
Dem Partner „Seitensprünge“ zu erlauben, während sich die Eingeweide umdrehen, macht keinen Sinn. Da werden die eigenen Werte missachtet und das Gleichheitsgesetz verletzt.
In unserem Kulturkreis war die Frau lange im „Besitz“ des Mannes, eine Freundschaft ist auf dieser Basis nicht denkbar und Streitereien vorprogrammiert.
Hat ein Mann tatsächlich mehr Macht als seine Frau, kann er, wenn er klug ist, sich einmal vor Augen führen, welche immateriellen Werte sie dagegen in die Beziehung einbringt und im Gegenzug von seiner Macht abgeben.
Interessant ist natürlich auch, die innere Familie zu betrachten: Männliche und weibliche Eigenschaften, Dominanz und Hingabe, kindliche Impulse wie Kreativität und Spontaneität. Wie sind die bei Ihnen gewichtet, wie kommen sie miteinander aus?
Es gibt schließlich noch Menschen, die sich verzweifelt nach Freundschaft sehnen und sie an jeder Ecke wittern, um nur kurz darauf Enttäuschung zu erleben. Meistens sind diese „Freundschaften“ Abhängigkeitsbeziehungen mit Verfallsdatum.
Aber für kluge Menschen ein Hinweis auf die Notwendigkeit, sich erst einmal selbst ein guter Freund, eine gute Freundin zu sein.
Fragen Sie sich- gerade in belastenden Situationen: Was würden sie in dieser Lage einem Freund, einer Freundin raten? Und dann befolgen Sie diesen Rat, und zwar sofort!
Führen Sie Selbstgespräche- mutig und wohlwollend, getragen von Vertrauen und Liebe, denn die sind die stärksten Kräfte im Universum und in der Evolution!
Schreiben Sie täglich 20 Eigenschaften und Fähigkeiten auf, die Sie bei sich schätzen!
Was aktuell weltweit geschieht, kann man da von Schicksal sprechen? Und, wenn ja, wer hats denn geschickt, das Virus mit all seinen Folgen und Unwägbarkeiten? Wo früher eine göttliche Vorhersehung waltete, wer hat denn heute eine Seuche zu verantworten?
Wer so denkt, und nicht mit dem Finger auf Gott zeigen will, braucht einen anderen Schuldigen. Und wer Schuldige braucht, ist unfrei.
Frei zu sein kann einfach heißen, annehmen, was ist.
Wilhelm Schmid drückt das so aus:
Jeder Einzelne muss selbst seine Beziehung zum Leben finden und festlegen. Eine Option dafür ist die bejahende Beziehung. (Schmid, Dem Leben Sinn geben)
Fakt ist, dass wir über das Virus, die Krankheit, die es auslöst, die Langzeitfolgen, seine Verweildauer nicht viel wissen. Nicht zu wissen, kann sehr befreiend sein. Wissen findet ja immer im Rahmen statt, unter Bedingungen. Das Leben ist mehr als ein Leben im Rahmen, der Sicherheit vortäuscht, weil wir gern Sicherheit haben.
Ich gehöre zur Risikogruppe, bin nicht systemrelevant, war ich auch nie- und schon zeigt uns das Virus, wer anscheinend wichtig ist und wer nicht. Wichtig zu sein, gibt Sicherheit. Wer wichtig ist, der wird versorgt- zumindest bei Primaten.
Systemrelevanz ist ein Rahmen.
Weniger publik als die Systemrelevanz von Ärzten ist derzeit die Systemrelevanz von Patienten. Ohne die können Kliniken dicht machen, die Systemrelevanz von Kindern, die die Arbeitsplätze von Erziehern sichern, die Systemrelevanz von Obdachlosen, denen wir unsere abgelegten Kleider und frische Brötchen an den Gabenzaun hängen.
Es gibt keinen plausiblen Grund dafür, die Wichtigkeit von Menschen zu bewerten, außer man hat Angst vor Bedeutungslosigkeit, eine sehr kindliche Angst.
Viele von uns haben etwas dazu gewonnen, was für jeden einzelnen durchaus systemrelevant ist, nämlich Zeit.
Als ich heute Mittag nach dem Essen in nicht ganz so guter Gewohnheit zum Schokoriegel greifen wollte, hatte ich Zeit, darüber nachzudenken, was ich denn wirklich brauchte.
Ruhe, ganz einfach Ruhe zur Verdauung. Hatte ich noch nie- nahm ich mir, und tut unglaublich gut.
Mehr Zeit, weniger Sicherheit, neuer Freiraum, den kennen zu lernen sich lohnt.
Das ist der Raum, in dem ich selbst bestimme, wer und was für mich relevant ist, mit Liebe und Vertrauen.
Weil sonst die Angst diesen freien Raum, die freie Zeit gleich wieder zukleistert.
Und das, was ich für wichtig halte, das pflege ich.
Das Bild, das wurde mir geschickt- von der Sonne in mein Badezimmer. Sie verwandelte den Schatten meiner Wäschetonne in eine Strahlenkrone.
Mir ist die prekäre Lage vieler Menschen bewusst, aber ich bin davon überzeugt, dass es menschliche Wege gibt, Ressourcen gerecht zu verteilen.
Wir sind alle mehr als Primaten, die an ihre Instinkte gebunden sind, wir haben die Freiheit, das Leben und alles, was dazu gehört, zu pflegen und zu bejahen.
Was uns Menschen auch geschickt wird, wir sind nicht ausgeliefert- solange wir denken und verantwortungsvoll handeln können. Schicksal- gibt’s nicht!
In den letzten Nächten wiederholte sich in meinen Träumen ein Thema: “Abstieg”. Mein Traum-Ich interpretierte den Begriff “Fortschritt” etwas eigenwillig.
Mal ging es eine Treppe hinunter, mal einen schmelzenden Gletscher. Meine erste Assoziation: Fausts Abstieg zu den Müttern-
Ich bin auch selbst Tochter und Mutter, sogar Großmutter-
Das Traumthema, das jetzt drei Mal erschien, verweist mich auf eine kollektive Dimension, insbesondere der letzte, in dem ich mit einer Gruppe einen tauenden Gletscher hinunter rutschte, und am Ende mit nassen Füßen da stand.
Für mich bedeutet: Kollektive Dimension- dass ich meine persönlichen Kränkungen und Eitelkeiten im Umgang mit meiner Familie versuche, beiseite zu lassen.
Wie handelt dagegen die archetypische Tochter oder Mutter?
Meinen Kindern habe ich Mundschutzmasken genäht- noch wollen sie sie nicht- aber eine Mutter ist fürsorglich vorausschauend- wenn die Fürsorge nicht benötigt wird, umso besser. Wenn doch, ist sie gerüstet.
Meiner Mutter lege ich Selbstfürsorge und Stärkung des Immunsystems nahe- versuche, die Kräfte in ihr, die schon schwere Zeiten überstanden haben, anzusprechen.
Auf einer unpersönlichen Ebene sind wir eins.
Von dieser Einheit der Frauen erzählen die griechischen Mythen:
Als Persephone im Hades verschwindet, nachdem die Unterwelt einen männlichen Herrscher erhalten hatte, ist ihr Mutter Demeter untröstlich und die Erde darbt.
Doch tritt eine Hoffnungsgestalt auf: Baubo- und mir ihren obszönen Witzen bringt sie Demeter zum Lachen.
Persephone dagegen handelt mit Hades aus, die Hälfte des Jahres über der Erde, und die andere darunter zu wohnen.
Demeter willigt ein, und die Menschheit muss sich mit dem Wechsel der Jahreszeiten zufrieden geben. Und aktuell mit dem Wechsel von wirtschaftlichem Profit und Verlust.
Demeter, Persephone sind eins, und Baubo lehrt uns den Umgang mit Unausweichlichem: Lachen, die eigene Natur nicht unterdrücken, den Kreislauf für sich selbst nutzen und in Zeiten, in denen weniger zu tun ist, sich dem widmen, was Körper und Seele an Pflege brauchen.
Ganz anders geht Orpheus mit dem Verlust seiner Frau Eurydike um. Er setzt seinen Kopf durch, dreht sich nach ihr um, als sie den Hades verlässt, und verliert sie für immer.
Wir leben in einer Welt, deren Credo: “Fortschritt” heißt.
Auch Abstieg ist Fortschritt- aktuell hoffentlich in Bezug auf Solidarität, Empathie und geistige Besinnung.
Was dagegen ein Irrglaube ist, zu meinen, Wachstum wären keine Grenzen gesetzt.
Nicht mal der Himalaya kann höher wachsen als bisher. Die Schwerkraft würde ihn ins Erdinnere befördern.
Im Traum trockneten meine Füße wieder- auch die Menschheit wird wieder trockenen Boden unter die Fußsohlen bekommen. Reich an Erkenntnissen, wie wir zukünftig Natur und Technik, Wirtschaft und Sozialem gerecht werden können. Der Boden braucht Dünger.
Dem einzelnen bleibt die Hoffnung und von seinen Überschüssen abzugeben: Sei es nun Klopapier für Pflegepersonal, das stets vor leeren Regalen steht, sei es ein Lächeln für die, die uns verbissen entgegen kommen, sei es ein derber Witz für den Pfarrer, und ein fröhliches “guten Morgen” für den Mann in der gelben Weste vor dem Supermarkt.
Ich werde weiter Masken nähen- meine Vorräte an Windeln und alten Bettbezügen dezimieren- und sie denen in die Hand drücken, die sie wollen.
Meine Mutter und meine Tochter haben bereits Bedarf angemeldet.
Für meinen Söhne heb ich ein paar auf.
Bleiben Sie anständig!
Wollen Sie mehr zur Bewältigung unsicherer Zeiten tun, kontaktieren Sie mich oder besuchen Sie meine Veranstaltungen an der VHS Karlsruhe
Die Gedanken sind frei- so ein Lied aus dem Widerstand geboren
Die Gedanken sind frei….und machen was sie wollen
Am Anfang war das Wort…
Die folgenden Zeilen geben einen Eindruck in das Wesen von Gedanken und wie dieses für die eigenen Zwecke und Ziele genutzt werden kann.
Wer kennt das nicht, Gedankenflut, endloses Grübeln angesichts von Zuständen, die belastend sind- leider werden sie durch Grübeln nur selten besser.
Und dann gibt es da diese vielen abertausend Gedanken, die scheinbar einfach nur so da sind und einen großen Teil unserer Stimmung ausmachen.
Was sind Gedanken überhaupt?
Gedanken sind elektrische Impulse, in ihnen vollzieht sich unser Bewusstsein- und erst Bewusstsein ermöglicht Entscheidungen und darauf folgendes Handeln.
Aber auch Gefühle, Empfindungen, Triebe, kurz Entscheidungsgrundlagen- werden uns in Gedanken bewusst-
Leidvolle Gedanken sind Reaktionen auf innere Spannungen- wir erleben uns selbst oft als überspannt- gestresst.
Der Umgang mit Gedanken ist kulturell unterschiedlich. Während hierzulande Psychotherapie Abhilfe von leidvollen Gedanken, bzw. den dahinter stehenden schlechten Erfahrungen bringen soll, hält östliches Denken dazu an, Gedanken als elektrische Phänomene zu beobachten und zuzusehen, wie sie sich verändern. Das ist ein Akt der Nicht-Identifikation:
„Ich bin immer mehr als meine Gedanken“ oder, wie Buddha sagte:
„Beobachtet den Strom der Gedanken so unbeteiligt wie den Flug der Vögel im fernen, friedlichen Abendhimmel“
Man kann aber noch weiter gehen als Buddha:
Das Schöne, Aufbauende beschreiben- die Farben des Abendhimmels, die schwarzen Silhouetten der Krähen davor, die Stimmung, wenn in den Stadtwohnungen die Lichter angehen- die Menschen zu Hause angekommen aufatmen.
Malen
fotografieren
„Womit ich mich identifiziere, das beherrscht mich!“
Womit ich mich nicht identifiziere, das kann ich beherrschen!“
Ein dritter Schritt besteht darin, heilsame Gedanken zu erinnern und zu pflegen.
Das Verhältnis von Bewusstsein und physischem Organismus tritt erst seit einigen Jahren in den Fokus der Neurowissenschaften, aktuell werden Gedanken als Emergenzphänomen betrachtet. Das kann man sich so vorstellen, als werfe man zwei Steine in einen See- und jeder kennt die sich bildenden Kreise-und dort, wo diese aufeinander treffen bildet sich ein neues Muster, das aus den Einzelkreisen nicht herleitbar ist: Emergenz.
Ohne Schwerkraft und ohne Spannung der Wasseroberfläche sind diese Phänomene nicht möglich.
Für mich ist die Vorstellung, dass meine Gedanken das widerspiegeln, was auf meinen Körper auftrifft, ein hilfreiches Bild.
Sie spiegeln aber auch wider, was sich vor Jahren und Jahrzehnten in diesen Körper eingeprägt hat.
Und immer wieder in Resonanz mit der Außenwelt tritt. Die Neurowissenschaften können uns mitteilen, dass das, was wir sehen zu 90% von unseren Vorerfahrungen abhängt.
Damit könnte eine Aufgabe sein, die Gedanken als das, zu sehen was sie zu 90% sind: Erinnerungen.
Und diese haben meinen Körper und meine unmittelbare Umwelt erschaffen wie ich sie täglich erlebe.
Thure von Uexküll, ein maßgeblicher Psychosomatiker, empfiehlt, sich einmal umzusehen und sich darüber klar zu werden, welche Gedanken zu den momentan vorzufindenden Lebensumständen geführt haben könnten. Aus denen selbstverständlich Handlungen folgten.
Und dann können Sie, wenn Ihnen das was Sie sehen, nicht mehr gefällt, umdenken.
Umdenken allerdings erfordert Disziplin und Ausdauer.
„Am Anfang war das Wort und Gott war das Wort und das Wort war bei Gott“, der Anfang des Johannesevangeliums besagt nichts anderes als dass das Wort Schöpferqualität besitzt.
Schreiben Sie, sprechen Sie-
oft,
Und beschreiben Sie, was Sie erleben wollen. Überlegen Sie, ob Sie die Verantwortung für das, was Sie verbal erschaffen, übernehmen wollen. Denken Sie vom Ende her.
Notieren Sie alles, was den Prozess ausmacht: Erkenntnisse, Handlungsimpulse, Gefühle von Erleichterung oder Zuversicht, Erinnerung an Personen oder Ereignisse, die diese Gedanken begleiten, Glaubenssätze.
Das Wort, bzw. der Logos- war dem antiken Menschen die Substanz, aus der alles entsteht.
Aber Achtung:
Jede Neuschöpfung ruft die Dämonen der Vergangenheit auf den Plan:
Notieren Sie auch, was aus Ihrem Leben verschwinden soll.