Im November wird der Toten gedacht, und damit zwangsläufig auch des eigenen Endes, sind wir doch mitten im Leben vom Tod umfangen. Wo bleibt da die Freiheit?
Während dieses Gedenken in Europa still und besinnlich abläuft, nehmen sich die Menschen in Lateinamerika die Freiheit, am „Dia de los Muertos“ mit den Verstorbenen gemeinsam zu feiern, zu essen, trinken, Musik zu machen und zu tanzen. Diese Nähe zu den eigenen Toten nimmt dem Tod an sich etwas von seiner Endgültigkeit, und damit von seinem Schrecken. Der Kontakt zu den Lebenden bleibt erhalten, wie auch in vielen indigenen Kulturen oder der Antike, in der die Ahnen einen eigenen Altar im Haus hatten. Diese Kulte erinnern an die Freiheit von Zwängen und Pflichten, von Konflikten und Kämpfen. Die Verstorbenen müssen sich damit nicht mehr abgeben, die Lebenden können “Feierräume”, heilige Räume- abgrenzen.
Die Räume der Lebenden von denen der Toten abzugrenzen, nicht auszugrenzen, ist ein Sinn, den diese Feiern haben. Der Übergang von einem zum andern fordert Flexibilität. Menschen, die an Macht und Sicherheit hängen, geht diese oft ab. Bis ihre Seele ihnen einen Verlust zufügt, ein Opfer abverlangt, dass sie in neue Freiheit katapultiert-
Zur Seelsorge gehört daher, mit den Toten leben zu können, sonst besteht die Gefahr, dass man unbewusst ihre unerledigten Aufgaben erfüllt. Mit den Verstorbenen zu leben heißt, mit ihnen dann und wann ins Zwiegespräch zu gehen- um ihren Rat einzuholen, aber auch zwischen ihnen und uns Lebenden zu trennen. Der bewusste Dialog ermöglicht die nötige Distanz. Und warum soll man nicht auch an Geburtstagen oder anderen wichtigen Daten eine Kerze, einen Strauß aufstellen oder vielleicht das Lieblingsgericht des Verstorbenen kochen?
Wer seine Toten ins Leben integriert, ihnen dort einen Platz zuweist, muss sie nicht in jedem Winkel seines Herzens und seiner Wohnung beherbergen. Was mit dem Toten an Glanz verliert, darf gehen. Was schöne Erinnerungen auslöst, dagegen bleiben. Diese bilden einen teil, vielleicht sogar die Basis der eigenen Individualität.
So kann jeder Tod zu mehr Schönheit, mehr Kontur im eigenen Leben führen und damit Sinn stiften.
Und:
Was der Tod wie jedes Ende beinhaltet, ist ein Zugewinn an Freiheit-